Die
Kalligraphin ist mein dritter Roman und beschäftigt
sich einerseits mit dem Schicksal der sogenannten Beutetürken,
muslimischen Einwohnern des Osmanischen Reichs, die im Verlauf
der Türkenkriege ins heutige Deutschland verschleppt
wurden und ist andererseits Familiengeschichte und Panorama
des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts.
Zusammenfassung
1689:
Als Sklavin gelangt die junge Habar aus ihrer Heimat Ungarn
auf das Gut Schwarzbach in Sachsen. Dort wird das exotisch
aussehende Mädchen bestaunt, aber auch wegen seiner Fremdartigkeit
und seines muslimischen Glaubens angefeindet. Kraft schöpft
sie aus der Kunst der Kalligraphie, die ihr Vater sie gelehrt
hat. Als sie jedoch gezwungen wird, diese besondere Fähigkeit
zur Fälschung von Dokumenten einzusetzen, gerät
Habar in höchste Gefahr
Entstehung
des Romans
Im
September 2003 stieß ich in der Zeit auf einen Artikel
von Hartmut Heller mit dem Titel Carl Osman und das
Türkenmariandl. Bei keinem meiner anderen Romane
kann ich das Datum des Erstkontakts mit der Idee genauer benennen
und doch dauerte es bis zum September 2007, bevor ich
damit begann, die Geschichte niederzuschreiben.
In
den folgenden Monaten arbeitete ich mich in mein Thema ein.
Über Jahrhunderte wurde dabei schnell deutlich, war die
Bedrohung durch das osmanische Reich im christlichen Europa
allgegenwärtig. Man zelebrierte Messen gegen die Türken,
setzte Bußtage an, sprach Türkengebete und läutete
Türkenglocken. Als Wendepunkt in der langen Geschichte
der Türkenkriege stellte sich die gescheiterte Belagerung
Wiens 1683 dar:
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In
den Jahren darauf gelang es der Heiligen Liga
die osmanische Herrschaft in Ungarn und auf dem Balkan Stück
um Stück zurückzudrängen. Im Verlauf dieser
Feldzüge gerieten auch immer wieder muslimische Einwohner
der eroberten Gebiete in Gefangenschaft. Hinweise auf ihr
Schicksal finden sich zumeist in den Kirchenbüchern,
die über ihre Taufe berichten. Ihre Erlebnisse dürften
einander vielfach geglichen haben: Sie wurden verschleppt,
oft verschenkt und dann von ihren jeweiligem Besitzern im
christlichen Glauben "erzogen". Die Taufe, die in
der Regel nach zwei oder drei Jahren erfolgte, war zumeist
ein Großereignis und lockte viele Zuschauer an. Mit
dem Glaubenswechsel wurde der entscheidende Schritt zu einer
bald völligen Einbürgerung getan, es blieb aber
ein bis zwei Generationen üblich, die neuen Christen
in amtlichen Dokumenten als "vormalige Türkin"
oder als Sohn oder Tochter eines "gewesten Türken"
zu klassifizieren.
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Die
meisten blieben auch nach der Taufe in den Diensten ihres
oft adligen Besitzers. Andere verselbständigten sich,
wurden Soldaten, Tagelöhner, Branntweinbrenner, Schuster,
aber auch Bürgermeister, Pfarrer und Student. Selbst
Erhebungen in den Adelsstand waren möglich, wie die Geschichte
des vom Hannoveraner Kurfürsten geadelten Mehmed von
Königstreu zeigt oder die von Verwandten beklagte Vermählung
eines Grafen Castell mit einer Fatme.
Zwei Ereignisse sind mir aus der Zeit, in der die Kalligraphin
entstand, noch besonders deutlich in Erinnerung. Zum einen
stieß ich noch im Stadium meiner frühen Recherche
im Vogtländischen Jahrbuch 2002 auf folgende Auszüge
aus Kirchenbüchern und hatte damit meine beiden Hauptfiguren
gefunden:
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"1.
Brambach. 1692 den 16. Decembris ist nach der Adventspredigt:
ein türkischer Knabe, dessen Vater weiland ein Schiffsmann
zu Griechisch-Weißenburg (Belgrad) gewesen (...) vor
offener Gemeinde getaufet und Carl Christof genennet worden.
Sonsten hat er Ibrahim geheißen.
2. Ebenda am selben Tage wurde getaufet eine Türkin,
eines türkischen Kaufmanns Tochter zu Griechisch-Weißenburg,
Habar genennet, bei obgedachter gnäd. Herrschaft auch
in Diensten, und bekam in der heil. Taufe den Namen Maria
Dorothea."
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Zum
anderen ist mir ein Besuch in Nancy gut im Gedächtnis,
wo der Hofmaler Charles Herbel, dem wir auch im Roman begegnen,
geboren wurde und einen Teil seines Lebens verbrachte. Im
dortigen Stadtmuseum hängt ein Teppich, der nach der
Vorlage eines seiner Bilder von der Eroberung Budas
damals Ofen - gewirkt wurde. Besonders ein Abschnitt fiel
mir dabei ins Auge: Ich hatte zwei Figuren darin, ohne die
Bildvorlage oder den Teppich zu kennen, in der Kalligraphin
geschildert. Während der Entstehung eines Romans sind
das für mich die besonderen Momente.
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Warum
aber verschleppte man diese Menschen überhaupt nach Deutschland?
Aus Grausamkeit gegenüber dem "Erbfeind"? Christlicher
Barmherzigkeit? Eitelkeit? Um sich mit einer exotischen Kuriosität
zu schmücken? Die Quellen schweigen sich darüber
ebenso aus, wie über die Frage, wie die Verschleppten
ihre neue Heimat erlebten, ob sie je Heimweh hatten, ob es
ihnen schwer fiel, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen,
und wie sie von der Altbevölkerung empfangen wurden.
Diese Lücke zu füllen, ist das Anliegen meines Romans.
Eine Bildauswahl zum Roman finden Sie in der Rubrik Bilder.
Informationen
der Verlagsgruppe Random House, Bertelsmann, inklusive einer
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Tochter des Advokaten oder Die
Kapelle der Glasmaler
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